Forschungswerkstatt I

Karrieren – Übergänge – Sorge

Dr. Simone Menz und Dipl. päd. Michael Rautenberg (TU Dresden/IRIS e.V.)

„Es mag sonderbar anmuten, sich der feministischen Ethik der Fürsorglichkeit hinzuwenden, um über das Wesen von Demokratie nachzudenken. Der Begriff des Fürsorgens selbst scheint eigentlich auf all das bezogen zu sein, was nicht demokratisch ist“ (Tronto 2000: 25)

In der Arbeitsgruppe richteten wir den Fokus auf das Übergangs- und Versorgungsmanagement von Wissenschaftler/innen im Zuge der Karriereplanung. Die Werkstatt verfolgte zweierlei Ziele: Zunächst bot diese Gelegenheit für die Fortsetzung der Diskussionen zu Karriere- und Fürsorgekontexten in Reaktion auf die Vorträge vom Vormittag.

Als Forschungswerkstatt ersonnen und angelegt stellte der Workshop darüber hinaus einen geschützten wie exklusiven Rahmen einer gemein-samen Fallinterpretation dar. Hierfür wurden Textpassagen eines Interviews mit einer Wissenschaftlerin für den Werkstattrahmen aufbereitet. Das empirische Material entstammt der laufen-den Untersuchung zum „Wiedereinstieg von Frauen in Wissenschaftskarrieren“.

Der Diskussion stellten wir folgende Fragen voraus:

Nach dem gemeinsamen Lesen ausgewählter Interviewpassagen entwickelte sich ein anregender Dialog rund um das „aufreizende Verhältnis“ von Wissenschaft und Sorge, diskutiert wurde der quasi omnipotente Entwurf von „Wissenschaft als Lebensform“ (vgl. Vortrag von S. Metz Göckel) wie auch konkrete Versuche seiner Verhandlung bis Umgehung.

Welche Karriere- und Wissenschaftsform auch gelebt wird, sie bedeuten den Wissenschaftler/-innen die biografisch zu leistende Integration von Wissenschaft und fürsorglicher Verantwortung für sich selbst und andere. Dabei entscheiden lokale Beziehungsnetze und fächerspezifische Wissenschaftskulturen über mögliche Alternativen und Verhandlungsräume. Ausdrücklich wurden in der Diskussion beide (und mehr) Geschlechter adressiert bzw. integriert.

Wichtig erschien den Diskussionsteilnehmer/-innen zudem der Hinweis, dass sich Fürsorge im Kontext von Wissenschaft und Karriereplanung nicht allein auf Elternschaft und Familie bezieht, eingeschlossen sind ebenso Pflegeverhältnisse, Freundschaften, selbst Tiere und Dinge.

Kontrovers diskutiert wurde die Idee der Selbstsorge von Wissenschaftler/innen: Bedeutet Selbstsorge allein Karrieresorge? Wie viel Eigensinn verbirgt sich in einer fürsorglichen Praxis? Wie viel Raum bleibt der alleinerziehenden Wissenschaftlerin tatsächlich für sich selbst?

Die Antworten lösten ob ihrer konkretrealen Begrenztheit in der Arbeitsgruppe ein kollegiales Unbehagen aus. Zugleich bot die Forschungswerkstatt Gelegenheit, den „Reiz der Sorge“ konstruktiv zu wenden, und also den vielfach verdeckten (Sorge-) Leistungen und Potenzialen von Wissenschaftler/innen gezielt nachzuspüren.

Die im Projektvorhaben entwickelte Forschungsperspektive „Wissenschaften in fürsorglicher Verantwortung“ wurde auf den Prüfstein gehoben, dabei ging es den mitdiskutierenden Projektmitarbeiter/innen explizit um Erkundung und Abschätzung der Reichweite des Konzeptes als Gleichstellungsperspektive im Zuge des dringend eingeforderten Kulturwandels der Wissenschaften.

Literatur: Tronto, Joan (2000): Demokratie als fürsorgliche Praxis. Feministische Studien. Extra 2000, 18, S. 25.